Am 10. Juli 1924, vor 98 Jahren, kam Zilli Schmidt (geborene Reichmann) auf die Welt. Viele Welten hat sie seither erlebt und überlebt: Sie ist eine Jahrhundertzeugin und eine große Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Zilli Schmidt hat den Völkermord überlebt, sie hat Auschwitz überlebt — den Ort, wo ihre Familie und ihre vierjährige Tochter Gretel ermordet wurden. Gegen alle Wahrscheinlichkeit hat Zilli überlebt. Sie floh immer wieder aus Lagern, sie täuschte die Mörder, sie kämpfte für ihre Familie und versorgte sie in Auschwitz. Sie wollte bei ihnen bleiben, doch am 2. August 1944 wurde sie als einzige ihrer Familie auf einen Transport nach Ravensbrück gezwungen. In derselben Nacht wurden alle Sinti und Roma, die noch in Auschwitz-Birkenau waren, vergast.
Darüber hat sie Zeugnis abgelegt in ihrem Lebensbuch „Gott hat mit mir etwas vorgehabt!“ Erinnerungen einer Deutschen Sinteza. In unserem Kulturhaus RomnoKher hat Zilli Schmidt – vom SWR dokumentiert – 2020 ihr Buch vorgestellt. Auch ein Film über ihr Leben wurde dabei aufgeführt. 2021 erhielt sie den Kultur- und Ehrenpreis der Sinti und Roma im RomnoKher. Am 21. Januar 2022 wurde ihr dort auch das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Auch nach 1945 blieb diese mutige und stets elegante Frau ein Vorbild. Vor Gericht hat sie schon vor Jahrzehnten gegen Täter des Holocaust ausgesagt, die Öffentlichkeit hat sie in den vergangenen Jahren immer wieder über den Völkermord aufgeklärt. Zugleich hat sie auch von dieser anderen Geschichte vor dem Völkermord Zeugnis abgelegt, von der gemeinsamen Geschichte von Deutschen, die Sinti waren, und Deutschen, die keine Sinti waren, von Freundschaften, von dem Wanderkino und dem Lanz-Bulldogg, mit dem ihre Familie die moderne Massenkommunikationsgesellschaft überhaupt erst in die begeisterten deutschen Dörfer brachte.
Zilli Schmidt ist es bis heute ein Herzensbedürfnis, jungen Menschen von der Kultur und Geschichte der Sinti zu erzählen und ihnen Mut zu machen, gegen Unterdrückung und Hass aufzustehen. So ließ sie sich 2020 von jungen Menschen interviewen, die mit dem Fotografen Luigi Toscano an einem Porträt arbeiteten, das nun im Kaminzimmer des RomnoKher zu sehen ist. Im Dezember 2021 wirkte sie an unserem Jugend-Gedenkfilm für den Landtag von Baden-Württemberg mit. In der Bildungsarbeit unseres Lernorts RomnoKher spielt ihre Biographie eine zentrale Rolle.
Wir wünschen unserer Zilli alles Glück dieser Welt und Gottes Segen und Schutz!
Eine besondere Freude war für Zilli Schmidt die Überraschung, dass – unterstützt durch den VDSR-BW – die von ihr so geschätzte Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Claudia Roth, sie in ihrer Wohnung in Mannheim besuchte.