Seit 35 Jahren macht der Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg (VDSR-BW) bürgerrechtliche Arbeit und Kulturvermittlung in Baden-Württemberg. Am kommenden Montag wird Kultusministerin Theresa Schopper in Mannheim bei einer Jubiläumsveranstaltung sprechen und die Glückwünsche der Landesregierung übermitteln.
Der Verband ging aus der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma hervor und wurde 1986 als Verein gegründet. Er setzt sich für die Vielfalt im Land ein, macht Ausstellungen und Veranstaltungen, bekämpft Antiziganismus – Rassismus gegenüber Sinti und Roma – und fördert die gesellschaftliche Teilhabe der Minderheit. Der VDSR-BW ist deutschlandweit die größte Organisation von Sinti und Roma auf Landesebene. Der Staatsvertrag mit dem Land Baden-Württemberg, der 2013 erstmals geschlossen und 2018 erneuert wurde, gilt deutschland- und europaweit als Vorbild für das Verhältnis von Minderheit und Mehrheitsgesellschaft. Mit dem Vertrag, der auch als Gesetz verabschiedet wurde, erfahren Sinti und Roma Anerkennung auf Augenhöhe, und der Verband wird von der Landesregierung finanziell gefördert. Doch bleiben Sinti und Roma auch immer noch „die am stärksten diskriminierte Minderheit Europas“ (Ministerpräsident Winfried Kretschmann).
Die Beratungsstelle des Verbands ist in ganz Baden-Württemberg aktiv und hilft Angehörigen der deutschen nationalen Minderheit wie auch zugewanderten Roma, ihre Lebenssituation zu verbessern, sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen und ihre Rechte wahrzunehmen. In den letzten Jahren hat der Verband aber auch in Forschung und Bildung neue Akzente gesetzt. Er war 2017 an der Gründung der Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg beteiligt und hat in seinem Mannheimer Kulturhaus 2020 den außerschulischen Begegnungs- und Lernort RomnoKher und 2018 die erste Romanes-Sprachschule für die Minderheit eingerichtet.
Die Jubiläumsfeierlichkeiten sind mit der Preisverleihung des Kultur- und Ehrenpreises der Sinti und Roma verbunden. Der Preis wird seit 2014 jährlich vergeben und erinnert an die erste urkundliche Erwähnung von Sinti und Roma auf dem Territorium des heutigen Deutschlands (20. September 1407). Auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg wurden Sinti und Roma erstmals während des Konzils von Konstanz (1414–1418) erwähnt. Diese frühen Zeugnisse stehen auch für ein konfliktfreies Miteinander und gegenseitige Anerkennung, was von späteren Erfahrungen der Ausgrenzung und Verfolgung überdeckt wurde. Die Preisträgerinnen und Preisträger des Kultur- und Ehrenpreises kommen nicht nur aus dem Südwesten, sondern haben sich in ganz Deutschland und Europa für die Minderheit eingesetzt. Unter ihnen befinden sich die ehemalige Präsidentin des Bundestags, Rita Süssmuth, sowie der Überlebende des Holocaust Zoni Weisz.
Geehrt werden dieses Jahr am 20. September Zilli Schmidt, Manuel Werner und Barbara Lochbihler in den Bereichen Kultur, Bildung und Politik.
Zilli Schmidt hat ihre Lebensgeschichte als Überlebende des Holocaust festgehalten und setzt sich dafür ein, dass die Erinnerungen weitergetragen werden und ein würdiges Gedenken stattfinden kann. „Die Neonazis, die sind am Werk. Die schlafen nicht.“ (Zilli Schmidt). 2020 ist ihre bewegende Autobiographie „Gott hat mit mir etwas vorgehabt!“ erschienen.
Manuel Werners vielfältiges Engagement reicht von Erinnerungsarbeit, Flüchtlingshilfe bis hin zu publizistischen Tätigkeiten. Er recherchiert über lokale Schicksale verfolgter Minderheiten wie Juden, Sinti und Roma in der NS-Zeit und thematisiert daneben auch Täter, Helfer und Trittbrettfahrer. Als ehemaliger Lehrer liegt ihm besonders die Einbeziehung von jüdischen und Sinti-Zeitzeugen in Schulen am Herzen. „Die Erinnerung braucht uns. Und die Zukunft auch.“ (Manuel Werner). Wie wenige hat er sich für die Inklusion zugewanderter Roma im lokalen Rahmen eingesetzt.
Barbara Lochbihler war bis 2019 Vizepräsidentin des Menschenrechtsausschusses im Europäischen Parlament und zuvor Generalsekretärin von Amnesty International. In mehr als 20 Jahren aktiver Menschenrechtsarbeit setzte sie sich für die Verbesserung der Lebenslage von Sinti und Roma in europäischen Ländern ein und kritisierte die Kategorisierung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer für Sinti und Roma. Besonders stolz ist sie darauf, dass im Europäischen Parlament ein europäischer Gedenktag zum Holocaust an Sinti und Roma und der Begriff Antiziganismus eingeführt wurde. „Ich hoffe er wird auch richtig verstanden, und eine andere Politik gemacht.“ (Barbara Lochbihler)
Die Jubiläumsfeierlichkeiten und die Preisverleihung sind Teil der Kulturwoche des VDSR-BW. Im Kulturhaus RomnoKher wird auch die international anerkannte Historikerin Dr. Karola Fings zu Gast sein und die Enzyklopädie des Völkermords an den Sinti und Roma vorstellen (22. September). Den Abschluss bildet ein besonderes Kunst- und Musik-Event zum Mitmachen mit dem Streetartist Emanuel Barica und dem Streetdancer David Kwiek (Workshops und Liveperformances am 25. September). Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen finden Sie unter www.sinti-roma.com/vorlagebeitrag-mit/jubilaeum-romnopower-kulturwoche/. Der Veranstaltungsort befindet sich im Kulturhaus RomnoKher, B7 16, 68159 Mannheim.
Ihre Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Chana Dischereit
cd@sinti-roma.com Tel.: 0621 911091–00
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