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Widerstand und Selbstbehauptung
Widerstand und Selbstbehauptung
Gedenken mit Zoni Weisz
Gedenken mit Zoni Weisz

Der 16. Mai – der Tag des Auf­stan­des in Ausch­witz 1944 – ist ein zen­tra­les Datum in der Geschich­te der deut­schen und euro­päi­schen Sin­ti und Roma, das zum Sym­bol für den Wider­stand gegen die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Gewalt­herr­schaft gewor­den ist.

Es ist nicht der ein­zi­ge 16. Mai, des­sen Sin­ti und Roma ges­tern über­all gedach­ten. Viel­leicht gibt es kein ande­res Datum, das bes­ser die Geschich­te von Sin­ti und Roma zum Aus­druck bringt als der 16. Mai. 1940 begann an die­sem Tag mit den Fami­li­en­de­por­ta­tio­nen von Sin­ti und Roma aus dem Wes­ten des Deut­schen Rei­ches die ras­sis­ti­sche Ver­nich­tungs­po­li­tik. Es war die Gene­ral­pro­be zum Völ­ker­mord: Was für Juden eben­so wie für Sin­ti oder Roma bevor­stand, deu­te­te sich an die­sem Tag an. Weder klei­ne Kin­der noch hoch­be­tag­te Men­schen ent­ka­men. Der 16. Mai 1940 steht auch für die Zer­stö­rung der gemein­sa­men Geschich­te von Deut­schen, die Sin­ti waren, und Deut­schen, die kei­ne Sin­ti waren. Das ist die Ambi­va­lenz die­ses Datums. Jahr­hun­der­te des Anti­zi­ga­nis­mus erreich­ten ihren Höhe­punkt. Zugleich wur­den Jahr­hun­der­te des gelin­gen­den Mit­ein­an­ders aus­ge­löscht. Die­ser Tag ver­deut­licht das fra­gi­le Ver­hält­nis von Sin­ti und Roma zu ihrer Umwelt, ihren immer wie­der in Fra­ge gestell­ten Sta­tus als Deut­sche, die sie seit dem spä­ten Mit­tel­al­ter sind.

Der 16. Mai 1944 steht für den Auf­stand von Sin­ti und Roma in Ausch­witz-Bir­ken­au. Die­ser Tag ist das Sym­bol für den Wil­len zur Selbst­be­haup­tung, für den Wider­stand gegen Unrecht und Gewalt­herr­schaft. Sin­ti und Roma leis­te­ten viel­leicht mehr als jede ande­re Grup­pe in Euro­pa Wider­stand gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus. Als Par­ti­sa­nen, Sol­da­ten und Teil der Résis­tance, im All­tag, als Ret­ter von ande­ren Ver­folg­ten, vor allem von Kindern.

Der 16. Mai 1944 erin­nert dar­an, dass die Geschich­te von Sin­ti und Roma nicht nur von den herr­schen­den Mäch­ten gemacht wird. Die­ser Tag beweist, dass Sin­ti und Roma ihre Geschich­te in ihre eige­nen Hän­de nehmen.

Die­ser Wil­le zur Selbst­be­haup­tung zeig­te sich nach 1945 in lan­gen Kämp­fen für die Aner­ken­nung des Völ­ker­mords. 2012 wur­de end­lich das Denk­mal für die im Natio­nal­so­zia­lis­mus ermor­de­ten Sin­ti und Roma Euro­pas ein­ge­weiht. Dass die­ses in Euro­pa ein­zig­ar­ti­ge Denk­mal in Ber­lin heu­te durch Bau­plä­ne für eine S‑Bahn-Tras­se bedroht ist, erfor­dert neue Akte der Selbstbehauptung.

Gemein­sam mit der Stif­tung Denk­mal für die ermor­de­ten Juden Euro­pas, die auch das Denk­mal für die im Holo­caust ermor­de­ten Sin­ti und Roma betreut, führ­te Rom­noK­her am 16. Mai eine vir­tu­el­le Gedenk­ver­an­stal­tung durch, die den Bogen vom Wider­stand gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus bis zur Selbst­be­haup­tung in der Gegen­wart spannte.

Nach Gruß­wor­ten von Uwe Neu­mär­ker (Direk­tor der Stif­tung Denk­mal für die ermor­de­ten Juden Euro­pas) und Dani­el Strauß (Geschäfts­füh­rer von Rom­noK­her und Vor­sit­zen­der des VDSR-BW) hielt die litaui­sche His­to­ri­ke­rin Aurė­ja Jute­ly­tė einen Vor­trag über den euro­päi­schen Wider­stand von Sin­ti und Roma gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus. In einem von der Jour­na­lis­tin Gil­da Sahe­bi mode­rier­ten Gespräch erläu­ter­ten im Anschluss Jana Mechel­hoff-Here­zi (Lei­tung Erin­ne­rung an Sin­ti und Roma, Stif­tung Denk­mal für die ermor­de­ten Juden Euro­pas) und Dr. Frank Reu­ter (Wis­sen­schaft­li­cher Geschäfts­füh­rer, For­schungs­stel­le Anti­zi­ga­nis­mus, Uni­ver­si­tät Hei­del­berg) den lan­gen Weg zum Denk­mal für die ermor­de­ten Sin­ti und Roma Europas.

Bei­trä­ge von Peter Pol­lák (MdEP, Slo­wa­kei), Eva Riz­zin (Wis­sen­schaft­li­che Koor­di­na­to­rin, Beob­ach­tungs­stel­le für Anti­zi­ga­nis­mus an der Uni­ver­si­tät Vero­na, Ita­li­en), Jon Pet­ters­son (Vor­sit­zen­der der Frantzwag­ner Stif­tung, Schwe­den), Lilia­na Hristache (Grün­de­rin des Ver­eins „Rom Réus­si­te“ und Stadt­rä­tin von Mon­treuil, Frank­reich) und Lily­a­na Kovat­che­va (Anthro­po­lo­gin, Päd­ago­gin und His­to­ri­ke­rin, Roma-Rat, Bul­ga­ri­en) unter­stri­chen die Bedeu­tung des Denk­mals für Sin­ti und Roma in ganz Euro­pa. Beson­ders bewe­gend war, dass mit Zoni Weisz ein Über­le­ben­der des Völ­ker­mords, des­sen gan­ze Fami­lie im Holo­caust ermor­det wur­de, sei­ne Gefüh­le ange­sichts der aktu­el­len Gefähr­dung des Denk­mals zum Aus­druck brach­te: „Ich betrach­te die­ses Denk­mal als das Grab mei­ner Fami­lie, einen Ort, an dem ich zusam­men mit mei­nen Kin­dern und Enkeln über das unend­li­che Leid nach­den­ken kann.“ Dar­um beton­te er: „Die ein­zi­ge gute Lösung ist eine alter­na­ti­ve Rou­te, damit unser Denk­mal nicht beschä­digt und Frie­den garan­tiert wird. … Das deut­sche Volk schul­det es den mehr als 500.000 von den Nazis ermor­de­ten Sin­ti und Roma.“

Die Gedenk­ver­an­stal­tung ende­te mit einer Dis­kus­si­ons­run­de, an der sich Romeo Franz, Mit­glied des Euro­päi­schen Par­la­ments und Kom­po­nist des Gei­gen­tons am Denk­mal, Gil­da Hor­vath (Rom­blog, Öster­reich), Esther Rein­hardt-Ben­del (Akti­ons­bünd­nis „Unser Denk­mal ist unan­tast­bar!“) und Gjul­ner Sej­di (Roma­no Sum­nal, Leip­zig) beteiligten.

Beitrag erstellt am 17.05.2021.

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