Dieses Event wurde wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt und auf einen noch nicht bestimmten Termin im Jahr 2021 verschoben.„Offenes Feuer“ ist unsere Reihe für Geschichte, Gesellschaft und Politik. Der Titel spielt mit dem ikonographisch überlieferten antiziganistischen Klischee, um es bürgerschaftlich zu wenden – das Gespräch am Feuer als Ausdruck der republikanischen Kommunikation, unser Kaminzimmer als Ort der zivilgesellschaftlichen Diskussion aller Teilnehmer auf Augenhöhe. Vor allem stehen Fragen der Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Sinti und Roma im Mittelpunkt – von der lokalen bis zur europäischen Dimension. Aber die Reihe bietet auch ein Forum für die Geschichte und aktuellen Herausforderungen anderer Minderheiten.
Am 16.12.2020 stellen Magdalena Guttenberger und Manuel Werner ihr Buch “ ‚Die Kinder von Auschwitz singen so laut!‘ Das erschütterte Leben der Sintiza Martha Guttenberger aus Ummenwinkel“ vor.Magdalena Guttenberger hat über viele Jahre die Erzählungen ihrer Schwiegermutter Martha Guttenberger über ihre Verfolgungserfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus aufgezeichnet. Magdalena und ihr Mann Julius, der Sohn von Martha, lebten seit den 1970er Jahren im Ravensburger Ummenwinkel zusammen, wo Martha ab 1945 nach ihrer Befreiung von einem Todesmarsch ihr weiteres Leben verbrachte – jahrzehntelang in zwei Räumen einer Baracke des vormaligen städtischen NS-Zwangslagers. Die Befreiung durch die Alliierten bedeutete aber kein Ende der Diskriminierung für Sinti und Roma durch die Mehrheitsgesellschaft.Die Geburtsstunde dieses Buches liegt im Jahr 1972. Ab da schrieb Magdalena Guttenberger auf Zetteln und Blöcken aller Art mit, wenn ihre Schwiegermutter Martha ihr ab und zu „von Auschwitz“ erzählte. Mit der Zeit mengten sich auch noch Antworten auf weitere Fragen nach früher dazwischen.
Der ständige Kontakt ermöglichte es, dass Martha ihrer Schwiegertochter in vielen Situationen des alltäglichen Lebens Facetten ihrer Biographie erzählte. Martha Guttenberger wollte, dass das ihr Widerfahrene nach ihrem Tod bekannt wird. Magdalena entschied sich zusammen mit Manuel Werner und mit der Zustimmung ihres Mannes, die Erzählungen und Berichte schriftlich als Mahnung und Erinnerung für ihre Familie und die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Sinti und Roma festzuhalten. So entstand die Idee, ein Buch zu gestalten, das die Möglichkeit bot, neben Marthas Erinnerungen auch Notizen der Gespräche zwischen ihr und Magdalena, Familiendokumente, Fotos, weitere Erinnerungen und vielfältige historische Informationen zusammenzustellen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Manuel Werner hielt hierzu weitere Gespräche fest, recherchierte zu verschiedenen Bereichen und erstellte das Buchmanuskript. So entstand ein exemplarisches Panorama des Lebens von Martha mit quellenbasierten Erläuterung des politischen, sozialen, historischen und familiären Kontexts.
Auch der Ravensburger Ummenwinkel kommt in diesem Buch zur Sprache, als der soziale Raum, in dem Martha, Magdalena, Julius und die Enkelkinder mit anderen Familien zusammen gelebt haben und sich mit den Schatten der Vergangenheit auseinandersetzen mussten. Zeitlebens ließ der Ort „Auschwitz“ als Fanal ihrer Verfolgung und der Ermordung des nationalsozialistischen Genozids an den Sinti und Roma sie nicht mehr los.