Am 15. März 1943, vor 80 Jahren, fand die erste Deportation von Sinti aus Baden und Württemberg nach Auschwitz-Birkenau ins sogenannte “Zigeunerlager” statt. Insgesamt fast 500 Menschen wurden in jenem Monat in das Vernichtungslager verschleppt. Nur wenige überlebten. Die Reise des Arbeitskreises Kirche/Sinti und Roma und der Evangelischen Akademie Bad Boll vom 19. bis zum 23. März 2023 verstand sich als Beitrag dazu, dass der Völkermord an den Sinti und Roma nie mehr vergessen wird. Die Reisegruppe kam mit dem Bus von Stuttgart nach Oświęcim/Auschwitz, war untergebracht im Zentrum Dialogu und verbrachte auf der Rückreise noch einen Tag in Wrocław/Breslau.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer rekonstruierten die Lebenswege der Deportierten und Ermordeten. Sie gingen auch dem Umgang mit dem Völkermord in der Bundesrepublik nach und stellten die schmerzliche Frage, wieso gerade die Kirchen dem Antiziganismus und der Verfolgung von Mitchristinnen und Mitchristennicht nicht entgegentraten.
An dieser vom VDSR-BW unterstützten Gedenkreise nahmen auch die Ravensburger Sinti Madeleine Kehrer, Armani Spindler und Robert Trapp teil. Sie alle sind Mitglieder des Landesverbands, Madeleine Kehrer und Armani Spindler engagieren sich zudem im Verein Bildung für Sinti und Roma Ravensburg e.V., der ältesten Vertretung der Sinti und Roma in Ravensburg. Alle drei haben einen sehr persönlichen Bezug zur Geschichte des Völkermords. Für das Gedenken des Landtags an die Opfer des Nationalsozialismus konnte der VDSR-BW 2022 die drei Nachkommen von Verfolgten, Ermordeten und Überlebenden begleiten und porträtieren. Nun sind sie gemeinsam nach Auschwitz gereist.
Armani Spindlers Großvater Albert Guttenberger überlebte Auschwitz, seine erste Frau Emilie (geb. Reinhard) und zwei seiner Kinder wurden in Auschwitz ermordet. Armanis Großmutter Elsa Guttenberger (geb. Winter) überlebte die Lager Ravensbrück, Buchenwald und Auschwitz. Fast ihre gesamte Familie wurde ermordet, ihr Vater Franz Winter in Mauthausen. Die sechs Geschwister von Armanis Großmutter, Maria, Klara, Rosina, Eugen, Alius und Josef, wurden 1941 nach Mulfingen in die St. Josefspflege verschleppt, vier von ihnen wurden 1944 von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet. Zwei wurden von den Ordensschwestern versteckt. Aus einer großen Familie überlebten nur drei Menschen den Völkermord – Armanis Großmutter und zwei ihrer Brüder.
Viele Mitglieder der Familie Schneck, der Madeleine Kehrer entstammt, fielen dem Völkermord zum Opfer, unter ihnen Anna Schneck, die Tante ihres Großvaters, mit ihren sieben Kindern Mathilde, Hyacintha, Ewald, Roman, Edmund, Waltraud und Paul, sowie ihrer Mutter Kreszentia Schneck. Paul starb noch in Ravensburg, alle anderen wurden in Auschwitz ermordet. Gertrud Lafontaine und andere von Madeleines Verwandten überlebten Auschwitz.
Robert Trapps Großmutter Sofie Trapp (geb. Guttenberger) wurde im Zwangslager Ummenwinkel festgehalten, ihre Geschwister Amalie Maria und Julius Guttenberger wurden 1943 nach Auschwitz deportiert. Ein weiterer Bruder von Sofie Trapp wurde in Ravensburg zum Tode verurteilt und in Bruchsal enthauptet. Eine Schwester von Sofie Trapp wurde mit ihren sechs Kindern im Allgäu verhaftet und schließlich ermordet.
Madeleine Kehrer erklärte nach der Reise: “Die Reise nach Ausschwitz war sehr emotional. Durch den Besuch direkt vor Ort fühlte ich mich meinen Vorfahren nahe.”