Es war der bedeutendste Augenblick in unserem Kulturhaus RomnoKher im vergangenen Jahr – unser Abend für Zilli Schmidt, die Vorführung eines Films über ihr Leben und die unvergessliche Lesung aus ihrem Lebensbuch „Gott hat mit mir etwas vorgehabt!“ Erinnerungen einer Deutschen Sinteza. Wer ihr begegnet ist, wird dieses Erlebnis nie wieder vergessen.
Zilli Schmidt hat den Völkermord überlebt, sie hat Auschwitz überlebt. Sie ist eine Jahrhundertzeugin und eine große Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Flucht, Täuschung der Mörder, Hilfe für ihre Familie und viele andere, all das waren Akte des Widerstands. Auch über den Kampf um Anerkennung und Erinnerung nach 1945 hat sie Zeugnis abgelegt. Vor Gericht hat sie gegen Täter des Holocaust ausgesagt. Zugleich hat sie auch von dieser anderen Geschichte vor dem Völkermord Zeugnis abgelegt, von der gemeinsamen Geschichte von Deutschen, die Sinti waren, und Deutschen, die keine Sinti waren, von Freundschaften, von dem Wanderkino und dem Lanz Bulldogg, mit dem ihre Familie die Massenkommunikationsgesellschaft der Moderne in die deutschen Dörfer brachte. Und sie liebt es bis heute, jungen Menschen von der Kultur und Geschichte der Sinti zu erzählen und ihnen Mut zu machen, gegen Unterdrückung und Hass aufzustehen. Im vergangenen Jahr saß sie für einen Workshop des Fotografen Luigi Toscano Porträt und ließ sich dabei von jungen Menschen interviewen.
Die Jahrhundertzeugin Zilli ist heute eine Widerstandskämpferin gegen Rassismus und Intoleranz – und auch gegen die Geschichtsvergessenheit, die sich in Teilen der deutschen Politik auszubreiten scheint: Seit das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas durch Baupläne der Deutschen Bahn und des Landes Berlin bedroht ist, erhebt sie immer wieder ihre Stimme zu dessen Verteidigung, zuletzt gemeinsam mit Zoni Weisz am 14. Juni, um Noa Karavan beim Schutz des Berliner Denkmals, das ihr Vater geschaffen hat, zu unterstützen. Wer ein Herz oder wenigstens historische Sensibilität hat, wird auf Zillis deutliche Appelle hören und niemals eine Beschädigung des Denkmals dulden.
Als „unerschütterliche Kämpferin gegen Hass, Ausgrenzung und Rechtsextremismus“ würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem persönlichen Brief vom 7. April Zilli Schmidt. An diesem Tag wollte er ihr den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland übergeben. Die Pandemie hat es unmöglich gemacht, die Zeremonie soll nachgeholt werden.
Fast ihre gesamte Familie, auch ihre vierjährige Tochter Gretel wurde im Holocaust ermordet. Zilli Schmidt ist heute eine der Letzten, die als Erwachsene den Völkermord überlebt hat und davon Zeugnis ablegen kann. Geboren wurde sie am 10. Juli 1924 – vor genau 97 Jahren. Wie der Bundespräsident wünschen wir ihr an diesem Tag Glück und Gesundheit. Und dass sie noch viele Jahre als Jahrhundertzeugin und Widerstandskämpferin für das eintreten kann, was ihr am Herzen liegt. Denn Gott hat mit ihr immer noch etwas vor.