Der Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg (VDSR-BW) hat an der gerade erschienenen „Leipziger Autoritarismus-Studie 2020“ mitgewirkt. Teil der Studie ist eine umfangreiche Analyse des antiziganistischen Anschlags in Erbach-Dellmensingen in der Nähe von Ulm. Der Prozess vor dem Landgericht Ulm ist Ende September 2020 zu Ende gegangen. Die fünf Angeklagten wurden in 45 Fällen zu gemeinsamer schwerer Nötigung nach dem Jugendstrafgesetz verurteilt. Der Staatsanwalt hatte eine Verurteilung wegen versuchten Mordes gefordert. Es war eines der ersten Strafverfahren in Deutschland überhaupt wegen Vertreibung. Die Analyse der VDSR-BW-Mitarbeiterin Chana Dischereit zeigt den alltäglichen Antiziganismus in der Mitte der Gesellschaft auf. Diese Einstellung kann in Gewalt umschlagen. In Erbach-Dellmensingen fühlten sich junge Menschen dadurch zu ihrer Tat legitimiert.
Die „Leipziger Autoritarismus-Studie 2020“ unter Leitung von Prof. Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig nimmt die Verbreitung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der deutschen Gesellschaft in den Blick. Dazu gehört auch Antiziganismus, der gegen Sinti und Roma gerichtete Rassismus.
Die Zahlen zum Antiziganismus entsprechen dem allgemeinen Trend der Studie – leichter Rückgang bei weiterhin hohem Niveau antiziganistischer und anderer menschenfeindlicher Einstellungen. 52,9% der Befragten sind der Ansicht, dass Sinti und Roma zu Kriminalität neigen würden. Im Jahr 2018 teilten 60,4% (in Ostdeutschland 69,2%) diese Auffassung.
In dem leichten Rückgang der rassistischen Ressentiments erkennt der VDSR-BW einen Erfolg der eigenen Arbeit und der anderer Organisationen bei der Aufklärung über Antiziganismus. Doch zeigen die Zahlen, dass sich Vorurteile hartnäckig halten und die Unterstützung von Strategien gegen Antiziganismus unverzichtbar bleibt.
Daniel Strauß, Vorsitzender des VDSR-BW: „Das Urteil des Landgerichts Ulm ist ein Beweis für das, was die ‚Leipziger Autoritarismus-Studie‘ und andere Forschungsbeiträge seit Jahren offenbaren: Sinti und Roma werden als Nachbarn abgelehnt. Antiziganismus ist in der Gesellschaft weit verbreitet und wird als Normalität empfunden. Die Ansicht, dass Sinti und Roma zur Kriminalität neigen würden, bedeutet Diskriminierung im Alltag der Betroffenen. Der antiziganistische Angriff in Erbach- Dellmensingen zeigt, dass Antiziganismus in Deutschland auch lebensgefährlich sein kann.“
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Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
Chana Discherheit – cd@sinti-roma.com
Informationen Leipziger Autoritarismus-Studie 2020:
– https://www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/informationsseiten-zu-studien/leipziger-autoritarismus- studie/
– https://speicherwolke.uni-leipzig.de/index.php/s/WB4NN9TEa3i3CkF%20#pdfviewer